Bismarck auf dem Totenbett
Sven Götze / 06.10.2020

Was ist eigentlich dieses Recht am eigenen Bild?

Von Bismarck bis zur Berliner Kunstausstellung - die Geschichte des Rechts am eigenen Bild ist länger, als man zunächst denkt. Dennoch ist es relativ unverändert geblieben, die Rechtsprechung der Gerichte hat sich inzwischen gefestigt. Doch was ist eigentlich das Recht am eigenen Bild und wo sind dessen Grenzen? Dieser Beitrag gibt dazu Antworten.

Begriffsabgrenzung

Zunächst einmal müssen wir uns die Begrifflichkeit genau ansehen. Oft wird im Alltag das "Recht am eigenen Bild" mit dem Begriff "Bildrechte" gleichgesetzt. Dies ist allerdings falsch. Die so genannten Bildrechte sind jene, die der Autor eines Fotos - also der Fotografierende ("Urheber") - kraft Gesetzes1 erhält. Hierzu gehören bspw. die Entscheidung darüber, wie ein Foto ("Werk") verwendet und verbreitet werden darf. Es handelt sich um dem Urheberrecht so genannte "verwandte Schutzrechte".

Dem gegenüber steht das Recht am eigenen Bild. Dies ist gesetzlich nicht wortwörtlich niedergeschrieben, lässt sich jedoch aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG2 herleiten. Hierbei geht es darum, dass die freie Entfaltung und Unversehrtheit eines Menschen nicht durch äußere Einflüsse, wie bspw. dem [unangenehmen Bedrängen durch] Fotografieren gefährdet werden darf. Jedes Individuum hat also selbst die Entscheidungsgewalt darüber, ob es fotografiert werden möchte. Die Rechtsprechung und zum Teil die Gesetzgebung haben in einzelnen Konstellationen dieses Recht zwar gelockert, aber nicht generell aufgehoben.

Wir befassen uns also beim "Recht am eigenen Bild" damit, ob eine Person fotografiert werden möchte und wie sie zu beteiligen ist, wenn es sich um weitere Verwendungen mit dem Foto handelt, auf dem sie abgebildet ist.

Ein weiterer, wichtiger Begriff ist jener des Bildnisses. Nach Definition der Rechtsprechung bezeichnet ein Bildnis "die Darstellung einer natürlichen Person in einer für Dritte erkennbaren Weise, wobei sich eine Erkennbarkeit zumeist aus der Abbildung der Gesichtszüge ergibt"3.

  • 1. Vgl. Urheberrechtsgesetz vom 9. September 1965 (BGBl. I S. 1273), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 28. November 2018 (BGBl. I S. 2014) geändert worden ist.
  • 2. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. November 2019 (BGBl. I S. 1546) geändert worden ist.
  • 3. Vgl. LG Frankfurt a.M. - Urteil vom 19.01.2006 - Az. 2/03 O 468/05, 2. Ls.

Historischer Kontext

Die Prägung resp. Entwicklung dieses Begriffs entstammt jedoch nicht der Zeit des 21. Jahrhunderts, er ist weitaus älter. Der Graf, Fürst und Herzog, Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen, seines Zeichens Schmied des Deutschen Kaiserreichs, spielte hierbei postum eine zentrale Rolle. Der Mann, der die Selbstinszenierung sich zu nutzen vermochte, jedoch die aufkommende Verbreitung der Fotografie im endenden 19. Jahrhundert kritisch betrachtete, war nach weit verbreiteter Auffassung der Grund für den Erlass des Kunsturhebergesetzes. Genauer betrachtet war es die Fotografie seines Leichnams, die unter dem Titel "Bismarck auf dem Sterbebett" berühmt wurde und Rechtsgeschichte schrieb. Die Anfertigung dieses Fotos war seinerzeit nicht illegal, lediglich der Hausfriedensbruch der Fotografen konnte geahndet werden.4

 

 

Bismarck auf dem Totenbett

Ob Bismarck bzw. seine Erben und der Streit um die Fotografie tatsächlich ursächlich für das Recht am eigenen Bild waren, wird wahrscheinlich nie be- oder widerlegt werden können. Es spricht bspw. dagegen, dass die Anfertigung einer solchen exemplarischen Fotografie auch nach den Maßstäben des Gesetzes nicht rechtswidrig wäre. Doch damit lassen wir es bewenden.

Regelungsinhalt

Nun zum eigentlichen Kern: Womit befasst sich das Recht am eigenen Bild? Das ist relativ leicht beantwortet. Es folgt dem erzieherischen Grundsatz "Erst fragen, dann machen." So postuliert § 22 KunstUrhG, dass eine Verbreitung oder öffentlichen Zurschaustellung eines Bildnisses nur nach Einwilligung der abgebildeten Person(en) gestattet ist. Unter der Einwilligung ist hier die vorherige Zustimmung zu verstehen.5 Doch wäre ein Grundsatz nichts ohne Ausnahme: § 23 KunstUrhG listet sogleich Ausnahmetatbestände auf, wann eine solche Zustimmung nicht erforderlich ist.

Achtung 1: Das KunstUrhG befasst sich lediglich mit der Veröffentlichung und Verbreitung von Bildnissen. Die Anfertigung dieser ist in diesem Gesetz nicht geregelt.

Achtung 2: Es hält sich tapfer das Gerücht, dass ab [bitte Zahl einsetzen] Personen keine Einwilligung benötigt wird. Dies ist nicht korrekt. § 23 Abs. 1 Nr. 3 KunstUrhG führt zwar Menschenansammlungen auf, benennt jedoch den Fall von Gruppenfotos nicht.

  • 5. Vgl. § 182 BGB.

Absolutes No-Go

Bei aller Kreativität in der Planung von Motiven und dem Gestaltungsspielraum, der Fotografen in Deutschland zusteht, gibt es ein absolutes Verbot. Ethisch wie juristisch ist es untersagt, die Privatsphäre einer Person zu verletzen. Genauer gesagt ist es gemäß § 201a StGB strafrechtlich verboten, im "höchstpersönlichen Lebensbereich" einer Person Bildaufnahmen anzufertigen. Höchstpersönlich meint hier einen geschützten Bereich, in der die abgebildete Person nicht damit rechnen darf, fotografiert zu werden. Dies kann bspw. der heimische Garten, eine öffentliche Toilette oder eine abgeschirmte Sitzecke in einem Restaurant sein.

Die Relevanz der DSGVO

Mit Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung am 25.05.2018 wurden europaweit gesetzliche Regelungen erlassen, wie mit personenbezogenen Daten umzugehen ist. Die Frage, ob Bildnisse personenbezogene Daten darstellen, kann man klar bejahen, da die Definition des "Bildnis"-Begriffs die Voraussetzung des Art. 4 Nr. 1 DSGVO erfüllt. Folglich ist nach den Vorschriften des Art. 6 Abs. 1 DSGVO zu prüfen, ob die Anfertigung einer Fotografie zulässig ist. In Betracht kommen hier

  • eine Einwilligung6, die formfrei, aber informiert erteilt werden kann und widerruflich sein muss7
  • ein Vertrag8 mit der abgebildeten Person ("Model Release")
  • das berechtigte Interesse im Sinne des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO.

Ergänzend ist festzustellen, dass die DSGVO nicht nur umfangreiche Anforderungen an die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten stellt, sondern auch eine Informationspflicht normiert.9 Hierbei sind die gesetzlich benannten Daten des Fotografierenden den Abzubildenden verfügbar zu machen.

Informationspflichten

Die englischsprachige Originalfassung des Art. 13 DSGVO normiert die Pflicht zur Bereitstellung der benannten Informationen (passive Informationspflicht), die deutschsprachige Übersetzung hingegen verpflichtet zur Mitteilung (aktive Informationspflicht). Im Rahmen der Zumutbarkeit sollte stets versucht werden, die Informationen zu platzieren. Bei Verträgen ist es ratsam, die Informationen aufzunehmen. Doch Achtung: Die Information ersetzt nicht die Rechtmäßigkeitsprüfung.

 

  • 6. Vgl. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a DSGVO.
  • 7. Vgl. Artt. 7 DSGVO.
  • 8. Vgl. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DSGVO.
  • 9. Vgl. Artt. 12 ff. DSGVO.

Fazit & Praxistipps

Zunächst lässt sich zusammenfassen, dass das "Recht am eigenen Bild" bedeutet, dass jedes menschliche Individuum bestimmen darf, ob es fotografiert werden möchte und ob die Aufnahmen verbreitet bzw. veröffentlicht werden dürfen. Im letzten Fall bedarf es kraft Gesetzes ausdrücklich der Einwilligung, für die Aufnahme selbst hat der deutsche Gesetzgeber keine Regelung getroffen. Hier sind die Regelungen der DSGVO einschlägig, die zudem Informationspflichten beinhalten.

Unabhängig der gesetzlichen Pflichten sollte es bereits moralisch selbstverständlich sein, klare Verhältnisse zu schaffen. Dies schließt die Frage nach der Erlaubnis für ein Foto und die Abrede über dessen Nutzungen mit ein. Da, wo ein direkter Kontakt zwischen Fotograf und Modell besteht und beide über die Bedingungen reden können, sollte ein schriftlicher Vertrag geschlossen werden. In diesen können die Datenschutz-Aspekte und Regelungen über die Verwendung der Ergebnisse aufgenommen werden. Damit wird zugleich eine Dokumentation geschaffen.

Natürlich wird es in der Praxis immer wieder Situationen geben, in denen Fotografen und Abzubildende keinen direkten Kontakt haben (bspw. in der Streetfotografie) oder nicht direkte Vertragspartner sind (bspw. Business-Shootings der Mitarbeiter einer Organisation). Für jede mögliche Konstellation gibt es jedoch Lösungen, mit denen man sich im Vorfeld befassen sollte.

Fotografie bedarf der Planung, Zielsetzung, Vorbereitung und Reflexion. Dazu gehören auch formale Themen, denn ein Fotograf greift in die Persönlichkeitsrechte anderer ein.

Es ist wichtig, dass das kreative Schaffen nicht durch Formalitäten oder gar Ängste behindert wird.

Disclaimer

Dieser Beitrag stellt unverbindliche Informationen und die Rechtsauffassung des Autors dar. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Aktualität, der Autor übernimmt keine Gewährleistung. Es handelt sich nicht um eine Rechtsberatung und kann diese keinesfalls ersetzen.

Über den Autor

Sven macht in seinem Hauptberuf irgendwas mit Beratung, IT, Organisation. Er ist zertifizierter Datenschutzbeauftragter, Datenschutzauditor und Google-zertifizierter Panorama-Fotograf (Street View trusted). Die Fotografie wurde ihm schon im Kindesalter nahegebracht und ist bis heute seine Passion. Angefangen mit Exa- und Praktica-Modellen ist er inzwischen beim spiegellosen Vollformat gelandet.

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